Eröffnungsrede

Peter Christian Walther: Eröffnungsrede der Gingold-Erinnerungs-Veranstaltung am 8.Mai 2011

Herzlich willkommen! Ich begrüße Sie und Euch alle sehr herzlich zu unserer Matinee zur Erinnerung an Ettie und Peter Gingold und freue mich, dass so viele gekommen sind.

Zur Eröffnung hat die Gruppe Politokk gespielt und gesungen, der ich für ihre Mitwirkung ganz besonders danken möchte. Ihr Beitrag war ein gelungener Auftakt. Wir werden sie im Verlauf des Programms noch einmal hören.

Ganz besonders begrüßen unter Ihnen und Euch möchte ich die ehemaligen vom Naziregime Verfolgten, die ehemaligen Widerstandskämpferinnen und –kämpfer. Von ihnen leben nur noch wenige unter uns. Um so erfreuter sind wir, wenn sie unter uns weilen.

Stellvertretend für sie alle begrüße ich an dieser Stelle Hans Schwert, 103 Jahre alt, der es nicht unterlassen hat, heute zu uns zu kommen, so wie er noch immer, wenn es möglich ist, sich auf den Weg macht, um teilzunehmen, wie er sein ganzes Leben lang nicht nur teilgenommen, sondern gehandelt und sich engagiert hat.

Die Filmdokumentation mit Aufnahmen aus dem Leben und Wirken von Ettie und Peter Gingold, deren Premiere wir im Anschluss an diese Eröffnungsrede als nächsten Programmpunkt erleben werden, ist eine Hommage an Ettie und Peter Gingold.

Wir wollen damit – über die heutige Aufführung hinaus – eine DVD erstellen, die zusätzliches Material enthalten wird, so z.B. weitere Passagen aus den 25 Interviews, die für diesen Film geführt wurden, sowie Hinweise auf weitere Medien, Reden und Dokumente, die es zum Leben und Wirken von Ettie und Peter Gingold gibt.

Es lohnt sich also, diese DVD zu nutzen, insbesondere auch als Unterrichtsmaterial in Schulklassen, für Jugendgruppen usw. Nach ihrer Fertigstellung kann sie über unsere Internetseite www.gingold-initiative.de bestellt werden.

Wir wollen jedoch nicht nur an Ettie und Peter Gingold erinnern, wir wollen vor allem auch selbst Erinnerungsarbeit in ihrem Sinne leisten.

Ich freue mich deshalb, dass es – um diese Erinnerungsarbeit leisten zu können – uns gelungen ist, mit der Unterstützung von mehreren von Euch die Ettie-und-Peter-Gingold-Erinnerungsinitiative auf die Beine zu stellen,

  • dass über 70 Personen aus nahezu allen Bereichen des politischen, gewerkschaftlichen, sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in unserer Stadt und Region sich bereit erklärt haben, Unterstützerinnen und Unterstützer dieser Initiative zu sein
  • und dass sich einige bereit gefunden haben, an der Arbeitsgruppe dieser Initiative mitzuwirken. Denn ohne ihr Mitarbeit wäre das Ganze überhaupt nicht möglich.

Die Grußadressen, die wir zu dieser Veranstaltung zahlreich erhalten und die wir draußen im Foyer ausgestellt haben, zeigen ebenfalls die breite Zustimmung und Unterstützung, die diese Initiative findet.

Die Filmdokumentation wäre – das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben– ohne die Arbeit unserer Mainzer Freunde, die die Produktion ausgeführt haben, vor allem aber ohne die finanzielle Unterstützung durch den Verein “Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim” (LAGG e. V.), nicht möglich gewesen.

Der Verein LAGG hat sich ebenso wie wir der Aufklärung und Erinnerung an das Nazigeschehen verschrieben, hier speziell die beiden Frankfurter Stadtteile und dabei insbesondere das KZ-Außenlager Katzbach in den Frankfurter Adler-Werken betreffend.

Ich möchte dem Verein LAGG für diese finanzielle Hilfe ganz herzlich danken, wie ich ebenso allen danke, die uns bereits eine Spende für unsere Arbeit überwiesen haben oder noch überweisen werden.

Also: Nach der Filmvorführung werden Siegmund Gingold, der Bruder von Peter, und eine Gesprächsrunde mit Hans Heisel, Katinka Poensgen, Anka Hätzel und Lena Carlebach, der Enkelin von Emil Carlebach, über ihre persönlichen Eindrücke, Gedanken, Erwartungen und Schlussfolgerungen aus dem, was sie vom Leben und Wirken der beiden Gingolds erlebt oder erfahren haben, zu uns sprechen, moderiert von Anne Wanninger und Mathias Meyers, der – auch das möchte an dieser Stelle hervorheben – eine wesentliche Stütze und ein Motor der Arbeit dieser Initiative ist.

Heute ist ein besonderer Tag: der Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg – vor nunmehr 66 Jahren.

Es gibt kaum einen geeigneteren Tag als diesen, um an Ettie und Peter Gingold zu erinnern.

Wenn wir heute am 8.Mai an die Befreiung von Faschismus und Krieg denken, dann denken wir in erster Linie an die Opfer des Faschismus.

Es ist aber auch notwendig, an die Ursachen und an die Träger des Faschismus, an die Täter, zu denken, damit verhindert werden kann, dass Ähnliches geschieht.

Erinnerungsarbeit ist notwendig. Sie soll dazu beitragen, zu verhindern, dass Nationalismus, Faschismus, Rassismus oder Antisemitismus sich ausbreiten oder gar herrschen können.

Wie notwendig es ist, jeder Art von Neofaschismus und Rassismus entgegenzutreten, zeigt die Akzeptanz solcher Positionen im Denken und Handeln von Teilen mitten in unserer Gesellschaft, wie dies z.B. die Studie der Friedrich-Ebert-Gesellschaft und Untersuchungen des Heitmeyer-Instituts der Bielefelder Uni belegen.

Heute, da die Zeitzeugen des faschistischen Terrors, des Naziregimes und des Widerstandes dagegen, nur noch in sehr kleiner Zahl unter uns leben und eines nicht mehr fernen Tages gar nicht mehr unter uns sein werden, ist es umso wichtiger, dass wir – die Zeugen der Zeitzeugen – und alle nachfolgenden Generationen – die Erfahrungen und Erkenntnisse dieser Nazigegner am Leben erhalten und auf neue Art weitergeben – insbesondere an junge Menschen.

Dieser Aufgabe wollen auch wir uns annehmen.

Ettie und Peter Gingold haben sich außerordentlich intensiv gegen alles Faschistische, Militaristische und Reaktionäre, für Frieden, Freiheit und Demokratie, für mehr Menschlichkeit, für bessere Verhältnisse, für eine bessere Gesellschaft engagiert. Sie haben mit ihrer Art, ihrem Auftreten und ihrem Wesen Anklang, Anerkennung und Zustimmung bei sehr vielen Menschen gefunden.

Für die Achtung und Anerkennung, die Peter Gingold gerade wegen seines antifaschistischen Engagements auch bei Andersdenkenden, bei Nichtkommunisten und Angehörigen anderer Gruppierungen gefunden hat, bleiben mir bildhaft in Erinnerung die Traueranzeigen, als er gestorben war.
Da standen auf einer Seite der Frankfurter Rundschau nebeneinander die große Traueranzeige der Friedensbewegung mit weit über 500 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner, die Traueranzeige der Autonomen Antifas, die Anzeige der Gewerkschaft Verdi und die Traueranzeige von Persönlichkeiten aus nahezu allen demokratischen politischen Bereichen einschließlich des damaligen Frankfurter CDU-Vorsitzenden, Minister Udo Corts.

Bei ihnen allen war Peter Gingold angesehen und geachtet. Dabei hat er niemanden nach dem Munde geredet. Er war grundsatzfest als Antifaschist und als Kommunist, gleichzeitig aber tolerant gegenüber anderen Ansichten und Auffassungen, sofern sie nicht nazistisch, rassistisch oder antisemitisch waren. In allem seinem Denken und Handeln war und blieb er menschenfreundlich, warmherzig und aufgeschlossen; glaubwürdig und überzeugend.

Für uns sind das Gedenken und die Erinnerung an diese beiden Menschen zugleich Ansporn und Verpflichtung, auch selbst, als Initiative, für die Ideale und Ziele dieser Beiden – Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! – das Mögliche zu leisten.

Deshalb bitte ich Euch, bitte ich Sie alle, auch weiterhin um Unterstützung unserer Arbeit.

Und nun wünsche ich Ihnen, Euch und uns allen einen interessanten und erfolgreichen Verlauf dieser Matinee.

Dieser Beitrag wurde unter 8. Mai 2011 veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.