Ettie Gingold zum 100. Geburtstag

 Ettie Gingold zum 100. Geburtstag - Thumbnail vom Flyer (PDF; 1.6 MB) Endlich ein freier Mensch sein – Hommage an Ettie in Frankfurt am Main am 17. Februar 2013

Mit einer Matinee im Frankfurter Titania-Theater wird am Sonntag, dem 17. Februar 2013, der 100. Geburtstag von Ettie Gingold gefeiert.

Ettie Gingold, 2001 verstorben, war zeit ihres Lebens eine mutige, kämpferische und außergewöhnlich engagierte Frau: Kommunistin, Jüdin, Antifaschistin und Kriegsgegnerin. [...]

Die Veranstaltung wird gefördert durch die Stadt Frankfurt, Dezernat für Kultur und Wissenschaft.

Lesen Sie mehr in der PDF zur Veranstaltung: Ettie Gingold zum 100. Geburtstag – Flyer (PDF; 1.6 MB)

Datum: 17. Februar 2013
Uhrzeit: 11 Uhr
Ort: Titania Theater
Basaltstr. 23
60487 Frankfurt – Bockenheim
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Résistance statt Wehrmacht

Waffen gegen die Unterwerfung. Zum Tod des Antifaschisten Hans Heisel – Von Mathias Meyers

Im Sommer 1942 hatte der deutsche Faschismus fast ganz Europa unter Kontrolle. Die Blitzkriege und -siege hatten die Wehrmacht in die meisten europäischen Hauptstädte geführt. Der antifaschistische Widerstand in Deutschland und in Europa war infolge von Verhaftungen und schweren Verlusten enorm unter Druck, eine Wende des Krieges war nicht absehbar – die Rote Armee war noch in der Defensive, die Schlacht von Stalingrad, die erste strategische Niederlage des Faschismus war noch nicht geschlagen.

Seit 1940 war auch Paris besetzt. Viele deutsche Emigranten schlossen sich der französischen Widerstandsbewegung Résistance an. Deutsche Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Christen kämpften in diesem historischen Bündnis unter täglichem Einsatz ihres Lebens gemeinsam mit französischen Patrioten gegen die Besatzung und für den Sturz des Hitlerregimes. Peter Gingold erzählt in seinen Lebenserinnerungen »Paris Boulevard St. Martin No. 11« ( Köln, 2009), daß er in dieser Zeit ein Treffen mit seinem Instrukteur, dem Leiter der KPD in Frankreich, Otto Niebergall, hatte. Sie diskutierten über die Lage in Europa. Peter Gingold war ratlos, wie sollte man in dieser Situation noch eine Vorstellung vom möglichen Sieg über den Faschismus behalten können? Otto Niebergall lehrte ihn, auch wenn die Unterwerfung zurzeit umfassend sei, die Völker Europas würden dies auf Dauer nicht hinnehmen, es werde zu Aufständen kommen, die Rote Armee würde an der Ostfront bald erste militärische Siege erringen, der Widerstand werde unweigerlich zunehmen. Gingold erschien diese optimistische Rede zu diesem Zeitpunkt so, als würde man, am Rande des Meeres stehend versuchen, den Wellen Einhalt zu gebieten.

Im Sommer 1942 trat der 20jährige, aus einfachen Verhältnissen in Leverkusen stammende Fernschreibobermaat Hans Heisel in Paris in die illegale KPD ein. Anfang 1939 hatte sich Heisel, »um der Trostlosigkeit seines Milieus zu entkommen«, freiwillig zur Handelsmarine gemeldet, wurde aber zu Beginn des Krieges statt dessen zur Kriegsmarine eingezogen und im Marineministerium in Paris stationiert. »In Paris zu sein war für mich eine aufregende Erfahrung. Paris ist eine herrliche Stadt, die wir in Gruppen uniformiert durchstreiften. Ich stellte keine Fragen nach dem Grund unserer Anwesenheit. Der Wein war gut und die Mädchen waren schön«, erzählte er 2009 dem französischen Historiker Claude Collin.

Die ersten Franzosen, die er kennenlernte, waren ein Friseur und ein Schneider. Beide gehörten, was Heisel zunächst nicht wußte, der Résistance an und zeigten sich interessiert, in den Gesprächen Informationen über Stimmung und Aktivitäten in der Besatzerarmee von dem jungen deutschen Soldaten zu erhalten. Ihre Fragen veranlaßten Hans Heisel zum gründlichen Nachdenken. Nachdem Vertrauen zueinander hergestellt war, luden die beiden Franzosen ihre deutschen Genossen ein, an einer Diskussion »teilzunehmen«. So kam es, daß bald Otto Niebergall unerkannt im Nebenzimmer saß, wenn Hans Heisel mit seinen neuen Freunden politisch diskutierte. Die Gespräche führten zu dem bedeutendsten Entschluß seines Lebens. Er erlangte mit aller Konsequenz die Erkenntnis, daß das Hitlerregime »eine staatlich organisierte Verbrecherbande« war, und er entschloß sich, die Seiten zu wechseln.

Mit größter Vorsicht gelang es ihm, in seiner Einheit kritisch eingestellte Soldaten zu finden und ebenfalls für die Résistance zu gewinnen. Es waren Arthur Eberhard und Kurt Hälker, mit denen er eine antifaschistische Zelle im Marineministerium bildete. Sie hinterließen heimlich Flugblätter an Soldatentreffpunkten, stahlen Waffen für den Widerstand und gaben ein Drittel ihres Wehrsoldes für die oft unter miserablen Bedingungen illegal lebenden deutschen Kommunisten. Sie trafen sich regelmäßig mit »Marie«, ihrer Verbindungsfrau der Résistance, lieferten ihr Informationen und geheime Unterlagen aus der Wehrmacht. Bei einem Treffen im September 1943 äußerte »Marie«, noch am gleichen Tag eine Waffe zu benötigen. Mangels anderer Möglichkeiten gab Hans Heisel ihr seine Dienstpistole. Jahre später erfuhr er, daß damit der General und SS-Standartenführer Julius Ritter, der verantwortliche Organisator der ersten großen Deportation der Pariser Juden in die Vernichtungslager, von der Résistance getötet worden war.

Im Herbst 1943 war Heisel Mitbegründer und wenig später Vizepräsident der »Bewegung Freies Deutschland für den Westen« (CALPO). Mit Hälker und Eberhard beteiligte er sich am Aufstand zur Befreiung von Paris. In der Einheit des legendären Colonel Fabien war er danach u.a. dazu eingeteilt, eingekesselte deutsche Soldaten über Lautsprecher zur Kapitulation zu bewegen.

Nach der Befreiung vom Faschismus kehrte Hans Heisel nach Leverkusen zurück, fand Arbeit in den Bayerwerken, wo er vor dem Krieg seine Laborantenlehre absolviert hatte. Später war er Metallarbeiter in Düsseldorf und dann hauptamtlicher Funktionär der KPD. Als seine Partei 1956 verboten wurde, setzte er seine politische Arbeit illegal fort. 1959 wurde er verhaftet und wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 15 Monaten Gefängnis verurteilt. 1968 war er an der Konstituierung der DKP beteiligt und blieb für sie hauptamtlich tätig.

In der BRD wurde er, wenn er von seinem Kampf gegen den Faschismus erzählte, lange als Vaterlandsverräter beschimpft. In Frankreich wurden Hans Heisel und die anderen Deutschen in der Résistance geehrt und ausgezeichnet. Der französische Staat zahlte ihm eine kleine Ehrenrente.

Erst in seinen letzten Lebensjahren entschied Hans Heisel sich, als Zeitzeuge auf antifaschistischen Veranstaltungen und in Schulklassen aufzutreten und lebhaft davon zu erzählen, wie seine Freunde und Genossen »in der Résistance aus ihm einen anderen Menschen gemacht« haben. Er erhielt viel positive Resonanz durch seine politische Klarheit und seinen Charme. So lange seine Gesundheit es erlaubte, trat er mit Leidenschaft auf. Zuletzt diskutierte er im Januar in Limburg mit 600 Schülern, die ihn nach der Veranstaltung mit Begeisterung lange umlagerten.

Im April erkrankte Hans Heisel. Begleitet von seiner Lebensgefährtin, seiner Familie und Freunden starb er am 12. Juli in Frankfurt am Main.

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Abschied von Hans Heisel

Einladung zu einer politisch-kulturellen Veranstaltung:

Abschied von Hans Heisel

18. August 2012
DGB-Gewerkschaftshaus Frankfurt am Main
Wilhelm-Leuschner-Str. 69 – 77

Beginn: 15 Uhr 30

Begrüßung

Musik: Bernd Köhler

Peter-Christian Walther
VVN-BdA – Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Lesung

Anne Waninger / Max Matthes / Mathias Meyers
Aus Texten von und Interviews mit Hans Heisel; aus Beiträgen über ihn; aus Grußworten und Erinnerungen; und filmische Szenen

Cora Mohr
Studienkreis deutscher Widerstand 1933 – 45

Patrik Köbele
stellv. Vorsitzender der DKP

Musik: Bernd Köhler

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Einladung zum 8. Mai 2012

Flyer 8. Mai 2012 (PDF; 1.5 MB)

Transkript Flyer

Ettie und Peter Gingold Erinnerungsinitiative und DGB Stadtverband Frankfurt am Main laden ein zum 67. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2012 um 18 Uhr im DGB-Gewerkschaftshaus Frankfurt am Main

Willi-Richter-Saal
Wilhelm-Leuschner-Str. 69 – 77
60329 Frankfurt am Main

Wir zeigen den Film „Frankreichs fremde Patrioten“ mit anschließendem Gespräch Wir freuen uns besonders, die Anwesenheit des mittlerweile 90 Jahre alten ehemaligen Kämpfers der Résistance Hans Heisel ankündigen zu können.

Frankreichs Fremde Patrioten

Rund 3.000 Deutsche kämpften nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht ab 1940 in der großen französischen Widerstandsbewegung, der Résistance. Meist waren sie nach der Machtübertragung an die faschistische Partei, die NSDAP, als rassisch oder politisch Verfolgte nach Frankreich emigriert. Einige leisteten bereits zuvor in Deutschland Widerstand, waren inhaftiert und nach gelungener Flucht aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern nach Frankreich gelangt.

Der Film „Frankreichs fremde Patrioten“ von Frank Gutermuth und Wolfgang Schön erinnert mit Interviews und historischen Aufnahmen an das Wirken dieser Widerstandskämpfer, die, sofern sie nach dem Sieg über den Faschismus nach Deutschland zurückkehrten, in der späteren BRD oft als „Vaterlandsverräter“ beschimpft wurden. Der Film erzählt die Geschichte von Peter Gingold, Kurt Hälker, Hans Heisel, Gerhard Leo und Henriette Dreifuss.

Ettie und Peter Gingold Erinnerungsinitiative und DGB Stadtverband Frankfurt am Main laden ein zum 67. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 2012 um 18 Uhr im DGB-Gewerkschaftshaus Frankfurt am Main

Willi-Richter-Saal
Wilhelm-Leuschner-Str. 69 – 77
60329 Frankfurt am Main

Wir zeigen den Film „Frankreichs fremde Patrioten“ mit anschließendem Gespräch Wir freuen uns besonders, die Anwesenheit des mittlerweile 90 Jahre alten ehemaligen Kämpfers der Résistance Hans Heisel ankündigen zu können.

Frankreichs Fremde Patrioten

Rund 3.000 Deutsche kämpften nach der Besetzung Frankreichs durch die deutsche Wehrmacht ab 1940 in der großen französischen Widerstandsbewegung, der Résistance. Meist waren sie nach der Machtübertragung an die faschistische Partei, die NSDAP, als rassisch oder politisch Verfolgte nach Frankreich emigriert. Einige leisteten bereits zuvor in Deutschland Widerstand, waren inhaftiert und nach gelungener Flucht aus den Gefängnissen und Konzentrationslagern nach Frankreich gelangt.

Der Film „Frankreichs fremde Patrioten“ von Frank Gutermuth und Wolfgang Schön erinnert mit Interviews und historischen Aufnahmen an das Wirken dieser Widerstandskämpfer, die, sofern sie nach dem Sieg über den Faschismus nach Deutschland zurückkehrten, in der späteren BRD oft als „Vaterlandsverräter“ beschimpft wurden. Der Film erzählt die Geschichte von Peter Gingold, Kurt Hälker, Hans Heisel, Gerhard Leo und Henriette Dreifuss.

www.gingold-initiative.de

Veröffentlicht unter 8. Mai 2012 | Kommentare deaktiviert

Ein Film über die Gingolds

Ein Film über die Gingolds

Uraufführung im Frankfurter Gewerkschaftshaus / Ab Herbst auch als DVD erhältlich

Von P. C. Walther

Über das Leben und Wirken der Antifaschisten Ettie und Peter Gingold berichtet die Filmdokumentation „Zeit für Zeugen“, die am 8.Mai, dem Jahrestag der Befreiung von Faschismus und Krieg, im DGB-Gewerkschaftshaus in Frankfurt am Main uraufgeführt wurde.

Der Film ist eine Hommage an Ettie und Peter Gingold. Die beiden 2001 bzw. 2006 verstorbenen jüdischen Antifaschisten, Kommunisten und Widerstandskämpfer gegen das Naziregime waren zwei außergewöhnliche Menschen. Wegen der Nazi-Verfolgung nach Paris emigriert, schlossen sie sich in den 40er Jahren der französischen Widerstandsbewegung Resistance an. Nach der Befreiung lebten sie in Frankfurt am Main und waren als Kommunisten aktiv in ihrer Partei, in der Friedensbewegung, den Gewerkschaften und vor allem in der antifaschistischen Bewegung.

Peter Gingold (1916 –2006) war Gründungs- und Führungsmitglied der DRAFD und in den letzten Jahrzehnten seines Lebens Mitglied in den Vorständen der VVN-BdA. Er gehörte in der Bundesrepublik zu den aktivsten Nazigegnern.

Seine Frau Ettie (1913 – 2001) war eine der engagiertesten Kriegs- und Rüstungsgegnerinnen. Sie allein sammelte Anfang der 80er Jahre 12.000 Unterschriften unter den Krefelder Abrüstungsappell und war bei nahezu allen Aktionen der Friedensbewegung dabei.

Wenn Peter Gingold, der an vielen antifaschistischen Aktionen mitwirkte und bei kaum einer Antinazi-Aktion fehlte, vor Schülern, Jugendgruppen oder auf anderen Veranstaltungen von seinen Erlebnissen und Erfahrungen im Kampf gegen den Faschismus sprach, dann fesselte und beeindruckte er immer wieder sein Publikum durch seine unkonventionelle, lebhafte und offene Art des Gesprächs und seiner Schilderungen. Vor allem bei jungen Menschen fand er Anklang und Aufmerksamkeit. Er berichtete eindrucksvoll aus eigenem Erleben, argumentierte lebensnah und locker, verzichtete auf Stereotypen und war dadurch ungemein glaubwürdig und überzeugend.

Mit seinem antifaschistischen Engagement fand der Kommunist Peter Gingold Achtung und Anerkennung auch bei Menschen anderer Anschauungen, ja selbst bei politischen Gegnern. Er trat immer wieder für breitestmögliche Bündnisse im Kampf gegen Neofaschismus, Rassismus und Antisemitismus ein. Dabei verstand er es, auf Antifaschisten aller Couleur integrierend einzuwirken; er war bei autonomen Antifaschisten ebenso angesehen wie bei „traditionellen“ und „bürgerlichen“ Nazigegnern.

Über eben dieses Wirken und über Erlebnisse aus dem antifaschistischen Kampf berichtet die etwa 30minütige Filmdokumentation „Zeit für Zeugen“ lehrreich und eindrucksvoll mit Ausschnitten von Aufnahmen, Videos, Filmen und Fernsehberichten über die Gingolds sowie mit der Wiedergabe von Interviews mit jüngeren und älteren Zeitzeugen, die die Gingolds noch erlebt haben. Gewissermaßen als Zeugen der Zeit geben sie ihre Eindrücke und Erlebnisse wieder. Zu den so Interviewten gehören neben anderen Elisabeth Abendroth, der Schauspieler Rolf Becker, die Musikerin und Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano, die Linke-Politikerin Ulla Jelpke, die VVN-Vorsitzenden Heinrich Fink und Conny Kerth sowie Ulrich Schneider (FIR) und Ellen Weber (DKP).

Bei der Uraufführung im Großen Saal des Frankfurter Gewerkschaftshauses fand der Film bei den Teilnehmern der überfüllten Veranstaltung große Anerkennung und Zustimmung.

Produziert wurde der Film im Auftrag der Ettie-und-Peter-Gingold-Erinnerungsinitiative von der Mainzer Filmwerkstatt Kontrastfilm. Die Autoren sind Mathias Meyers und Tidi von Tiedemann. Ermöglicht wurde die Herstellung des Films durch die finanzielle Unterstützung des Frankfurter Vereins LAGG („Leben und Arbeiten in Gallus und Griesheim“), der die Erinnerung und Aufklärung über die Nazizeit in diesen beiden Frankfurter Stadtteilen und insbesondere über das KZ-Außenlager Katzbach in den Frankfurter Adlerwerken zum Ziel hat.

Voraussichtlich ab Herbst dieses Jahres wird der Film „Zeit für Zeugen“ – ergänzt durch weiteres Material wie Dokumente, Redentexte und Verweise auf weitere Quellen – auch als DVD erhältlich sein. Zu empfehlen ist seine Verwendung für Veranstaltungen insbesondere mit Jugendlichen, aber auch als Unterrichtsmaterial in Schulen, für Jugendgruppen usw.

Zu beziehen ist die DVD bei der Ettie-und-Peter-Gingold-Erinnerungsinitiative in Frankfurt am Main.
Informationen dazu finden sich auf der Webseite www.gingold-initiative.de und über info@gingold-initiative.de.

Veröffentlicht unter 8. Mai 2011, Gingold Film, Presse | Kommentare deaktiviert